Ich bin vor nunmehr fast 9 Jahren von Hamburg nach Altenholz gezogen – von 1,8 Mio. Einwohnern auf 10.000! Fast alles war anders, klar, so ist das nach so einem Ortswechsel und die Umgewöhnung war nicht immer leicht. Ein Kulturschock – inzwischen weiß ich: im positiven Sinne, mir liegt die Größe dieses Ortes und ich mag die Menschen, die in ihm leben!
So im Rückblick war eine der größten Veränderungen, die ich wahrgenommen habe und die noch immer trägt, die Lautstärke um mich herum. Besser gesagt: die Leisestärke!
Ich erinnere mich an einen Sonntag, vielleicht 10 Uhr, an dem ich vor der Haustür stand und auf Freunde wartete, wir wollten einen Spaziergang mit den Hunden machen. Ich stand da, ganz regungslos und es war unfassbar still, es gab buchstäblich kein Geräusch. Das war mehr als die Abwesenheit von Lärm, da war plötzlich eine wirklich komplett andere Energie zu spüren!
Es war völlig friedlich, die Luft erschien mir sanft, totale Entspannung – ein Hochgenuss! Selbst meinem ansonsten sehr bellfreudigen Hund Fränkie hatte es die Sprache verschlagen. Er saß da, guckte, lauschte und war still!
Und plötzlich konnte ich sie hören – die Stille in mir!
Sie ist mir schon viele Jahre vertraut und bekannt, aus Momenten der Vertiefung, Meditation, Versenkung. Es ist, als wenn man an einen Nullpunkt ankommt, an dem alles neu beginnt. Als wenn man einen Raum betritt, der voller Geheimnisse und Antworten ist. Geheimnisse über das Leben – das eigene und das Leben überhaupt. Antworten auf Fragen, die man bisher so nicht gestellt hat, auch weil Worte fehlen, um sie auszudrücken. Und auch die Antworten bieten diese Worte nicht unbedingt an, oft sind sie ein Gefühl, ein Traumbild, das fast verschwindet, wenn man es festhalten will, eine Gewissheit, ein grundsätzliches Verständnis dafür, warum Dinge sind wie sie sind.
Ich komme mehr und mehr zu der Überzeugung, dass diese Momente zu den kostbarsten und wichtigsten unserer persönlichen Entwicklung (um das Wort Bewusstseinserweiterung zu vermeiden) zählen. In ihnen ist Raum für Neues, in ihnen ist überhaupt mal Raum für was auch immer. In ihnen gibt es keine Zeit und wenig Konkretes. In ihnen muss ich nicht richtig handeln, nicht aktiv sein.
Ich kann in diesen Momenten die Kraft spüren, die in der Stille liegt. Es fühlt sich an, als wenn ich mich in einen Schutzraum begebe, der sehr viel älter ist als ich. Und der auch noch da sein wird, wenn ich längst schon wieder woanders bin.
Die Stille hat Zeit, sie hetzt nicht, treibt nicht an. Sie lässt einfach geschehen. Oder auch nicht geschehen. Vieles verliert an Bedeutung, an Dringlichkeit. Das Bedürfnis mental zu Verstehen nimmt ab, die Bereitschaft emotional und spirituell zu erfassen zu, der Drang, alles regeln zu wollen darf gehen. Zumindest temporär.
Irgendwann sollten wir wieder den Raum der Handlung betreten, gestärkt durch das, was wir in der Stille erfahren haben. Sollten aktiv sein, erschaffen, unseren Schöpfergeist nutzen. Völlig in der Stille zu verharren ist zumindest nicht meine Vorstellung vom Leben.
Da gibt es auch noch das Lachen, das Toben, die Lebensfreude und die Power! Das Miteinander mit anderen Menschen, die Bewegung und den Tanz. Aber dieser Bereich meines Lebens wird bunter und vielfältiger und leichter, wenn ich ab und zu die Stille in mir wahrnehme, in sie hineingehe und aus ihr schöpfe.
Und dann, relativ unauffällig – und eben leise – fließen die neuen Erkenntnisse aus der Zeit in der Stille in unseren Umgang mit der Welt und unseren Mitmenschen, mit Blockaden und Problemen, mit Visionen und ihren Umsetzungen ein und verändern unser Handeln und unsere Sicht auf die Dinge.
Ja, die Stille in mir schafft Raum für Möglichkeiten, für Phantasien und Träume, für noch nie gesehene Bilder und noch nie gedachte Gedanken. Sie lässt entstehen, lässt sein, lässt wachsen.
Ich liebe diesen Raum in mir, ich möchte sie nicht missen, diese Stille!